Launischer Poseidon

Nur schönes Wetter hatten wir uns gewünscht. Nur weg aus der verregneten Heimat in die sonnig-warme Aegaeis. In Athen dann der Schock: heiß, heißer, am heißesten. Kein Wind und keine frische Brise vom Meer. Auch nach Sonnenuntergang kühlte es nicht ab.
Unsere Fähre, die Blue Star 2, verließ pünktlich um 23:55 Uhr den Hafen von Piraeus in Richtung Santorin. Wir erhaschten glücklich eine Sitzgruppe auf dem Deck direkt an der Reling und der Fahrtwind brachte ein klein wenig Kühlung, obwohl von der feuchtigkeitsgeschwängerten Luft allmählich unsere T-Shirts auf der Haut klebten.
Im Windschatten dagegen fast unerträglich heiß. Hunger und Durst trieben uns zwangsmäßig ins Schiffsinnere, wo uns ein zweiter Schock fast zum Eisklumpen erstarren ließ. Gefrierschranktemperaturen herrschten hier im Salon. Auch nicht das Wahre, dachten wir, und begaben uns wieder an Deck.
Mit dem ersten Tageslicht lief die Fähre um 5:30 Uhr in die Caldera von Santorin ein. Da das Schiff die Geschwindigkeit drosselte, merkten wir, dass sich auch hier kein Lüftchen regt. Das Wasser war spiegelglatt. Fast ehrfürchtig leise steuerte die Fähre am nassen Grab der
"Sea Diamond" vorbei.
Auch auf See zwischen Santorin und Amorgos Windstille und eine glatte Wasseroberfläche. Nur ein Schwarm Delfine, die uns wenige Minuten begleitete, durchschnitt die Wasserfläche. Meine Begeisterung für diese wunderbaren Geschöpfe war so groß, das ich das Filmen und Fotografieren glatt vergaß.
8 Uhr, endlich Katapola. Schweißgebadet nahm uns Panajiotis in Empfang und begrüßte uns aufs herzlichste. So heiß war es Ende Juni noch nie auf Amorgos, versicherte uns Panajiotis. An Wandern war nicht zu denken und deshalb vertrieben wir uns die Zeit mit Baden an Maltezi-Strand und in der fantastischen Bucht von Agia Anna mit Blick auf das einmalige Kloster Hosoviotissa, das 300 m über der Bucht im Felsen klebt.
Schweren Herzens verließen wir nach ein paar Tagen diese wunderschöne Insel in Richtung Naxos � Paros. Paros empfing uns mit strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um die 38°C. Die Zeit bis zur Weiterfahrt nach Ios vertrieben wir uns zwischen den etwas kühleren Gassen von Paroikia und bei Jannis am Pool. Groß war die Wiedersehensfreude und wir mussten versprechen im nächsten Jahr wieder zu kommen.
Ios war nicht weniger heiß, aber Nikos teilte uns mit, dass es die nächsten Tage besser wird. Und es wurde besser. Der Meltemi sorgte für frischen Wind und leichte Abkühlung. Da die Bucht von Gialos sehr windgeschützt ist, merkte man die Kraft des Meltemis nicht so sehr. Auch am Strand war es sehr angenehm ohne das prickelnde Gefühl des Flugsandes am Körper. Anders dagegen bei unserer Pension, die am Fußweg in der Mitte zwischen Gialos und Chora lag. Hier rissen Sonnenschirme aus ihrer Verankerung und flogen durch die Landschaft. Gegen Abend ließen die Winde etwas nach und nun war es möglich durch die verzaubernden Gassen von Chora zu streifen und auf einer kleinen Plateia was zu essen.
Auch Ios verließen wir nach wenigen Tagen und kauften uns Tickets nach Folegandros. Wir bestiegen die alt-ehrwürdige Dame Panagia Tinou und verließen die ruhige Bucht von Gialos. Was Poseidon nun die nächsten zwei Stunden meinem Magen zumutete, war hart an der Grenze. Wie ein großer Spielball drückte Poseidon das Schiff durch die Wellen. Mal nach rechts und nach links kippend. Dann rauf und runter wie auf einer Achterbahn. In der Bucht von Alopronia auf Sikinos legte der Wind eine kleine Pause ein, um aber dann zwischen Sikinos und Folegandros sein ganzes Können zu zeigen. Spätestens hier musste so mancher Hartgesottene eingestehen, das er doch nicht so seefest ist (Mann war mir schlecht).
Endlich Folegandros und wieder festen Boden unter den Füßen. Während der drei Stunden Aufenthalt erlebten wir noch, mit welchen Kräften die Fähren zu kämpfen hatten. Die kleine Arsinoi konnte erst nach mehreren Versuchen anlegen und schaukelte sich so stark auf, dass Passagiere und Fahrzeuge das Schiff nicht verlassen konnten. Ebenso erging es der Speedrunner 1, die uns von Folegandros nach Sifnos bringen sollte.
Die Fahrt nach Milos war ein Höllentrip. Der Katamaran schlug so hart auf die Wellen auf, dass man meinte, das Schiff bricht gleich auseinander. Im Schiffsinnern war es kaum auszuhalten, wenn man das Wechselspiel zwischen See und Horizont durch das große Fenster sah. Und draußen wurde man nass, da die besten, trockenen und windgeschützten Plätze schon belegt waren. Beim Einlaufen in die große Bucht bis zum Hafen Adamas konnte sich bei ruhiger See der Körper wieder erholen.
Noch eine halbe Stunde bis Sifnos, die würden wir auch noch durchstehen. Fünf Minuten festen Boden unter den Füßen und von den Strapazen und Qualen der letzten Stunden war nichts mehr zu spüren. Eine eigenartige Krankheit, diese Seekrankheit. Aber keiner von uns hat über der Reling gehangen.
Welche Windstärken an diesen Tagen herrschten, haben wir nicht genau erfahren. Fakt ist, das die Flying Cats nicht mehr fuhren und keine Jacht auf dem Meer zu sehen war, dafür aber dichtes Gedränge in den geschützten Buchten von Milos und Kamares auf Sifnos.
Die letzte Seefahrt von Sifnos nach Piraeus war dann wieder so angenehm, wie man es gewohnt ist. Wie geht das bekannte Lied noch? "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern ..."
Auf ein Neues im nächsten Jahr.
Juni 2007